Kurpfalz Regional Archiv

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Politische Faktoren bestimmten das Schicksal der Heidelberger Klöster

20.10.94 (Kirchen & Klöster)

Das Schicksal der Heidelberger Stifte (die Stiftsherren einer
meist größeren Kirche lebten voneinander weitgehend unabhängig in
eigenen Wohnungen) und Klöster (die Mönche leben in einer
Wohngemeinschaft innerhalb des Klosters in einer in sich
geschlossenen Anlage) wurde vor allem durch politische Faktoren
bestimmt. Zunächst litt das kirchliche Leben unter der
intoleranten Religionspolitik der Kurfürsten, die nach der Devise
„cuius regio eius religio“ die Untertanen zwangen, sich zur
Religion des jeweiligen Herrschers zu bekennen (bis etwa 1650).
Zweitens litt man unter dem Wechsel der Fronten während des
Dreißigjährigen Krieges und des Pfälzischen Erbfolgekrieges.
Schließlich wurde das kirchliche Leben durch die einseitige
Förderung bestimmter Konfessionen nach 1650 durch Kurfürst Karl
Ludwig und der katholischen Linie von PfalzNeuburg
eingeschränkt.

Unter Kurfürst Friedrich IV. wurde das ehemalige Benediktiner
und schließlich Nonnenkloster Neuburg oberhalb des Neckars bei
Heidelberg seiner Gemahlin Juliane als Witwensitz überschrieben.
Später wird es als Lusthaus im Sinne von Landhaus bezeichnet.
1622 wurde es von kurpfälzischen Truppen gegen Tilly verteidigt.
1648 fielen die Reste von Kloster Neuburg wieder der reformierten
Kirche zu. Unter Kurfürst Karl Ludwig wurden die Klosterbauten
erneuert, 1672 der Kirche ein Turm hinzugefügt und die
Wehrhaftigkeit wiederhergestellt.

Es diente nun als Fräuleinstift, das für die Töchter des
kurpfälzischen Adels bestimmt war. Das ehemalige Kollegiatsstift
wandelte sich bald in eine „Versorgungsanstalt“ für
unverheiratete Frauen. Das Stift Neuburg behielt aber durchweg
seinen religiösen Charakter. Die Sitten waren damals streng: So
durften die Stiftsfräuleins nur in der Begleitung zweier alter
reitenden kurpfälzischen Gardisten zu Spaziergängen aufbrechen.
Es sollte so darauf geachtet werden, daß in den betreffenden
Gegenden keine Studenten den Stiftsfräuleins „gefährlich werden
können“.
Im Gründungsjahr (1672) bewohnten zwölf Damen und drei
Vorsteherinnen das Stift. Auch „Lutherische“ durften in das Stift
der Reformierten aufgenommen werden, sofern sie „Religionsgezänk“
vermieden.

Als die katholische Neuburger Linie des Hauses Wittelsbach die
Kurfürsten stellte, erhoben Benediktiner und Jesuiten Anspruch
auf das Kloster. Nach der Vertreibung der Reformierten wurde die
Stiftskirche am 11. Mai 1698 für den katholischen Gottesdienst
eingeweiht. Das Lusthaus fand um 1700 eine Verwendung als
Armenhaus.

Die Heiliggeistkirche (Baubeginn 1398) inmitten der alten Stadt
Heidelberg gelegen, war die Stiftskirche des ehemaligen
Kollegiatstiftes. Nach der Reformation und dem vorübergehenden
Sieg des Luthertums unter Kurfürst Ludwig VI. erreichten die
Reformierten 1583 die Rückgabe der Heiliggeistkirche. Die
berühmte „Bibliotheca Palatina“ war auf den breit angelegten
Emporen der Kirche untergebracht. Diese wertvolle Büchersammlung
mußte aber 1623, nach der Einnahme Heidelbergs durch Tilly, dem
Vatikan übergeben werden, wo sie noch heute eingelagert ist.

Im Verlauf des Pfälzischen Erbfolgekrieges wurde bei der zweiten
Einnahme der Stadt durch die Franzosen (1693) die gesamte Stadt
ein Opfer der Flammen. Auch der Dachstuhl und Turmhelm der
Stiftskirche wurde zerstört und die Gräber geplündert. Bereits
fünf Jahre später wurde das Dach wiederhergestellt, zusätzlich
erhielt es einen Dachreiter. Der Turm wurde mit einem achteckigen
Dachaufbau und einer Welschen Haube versehen.

1605 wurde der Chor den Katholiken und das Schiff den
Reformierten zugesprochen. Beide Bauteile wurden deshalb 1606
durch eine Mauer voneinander getrennt und erhielten gesonderte
Eingänge. 1719 wurde diese Scheidemauer wieder abgetragen, ein
Jahr später jedoch auf Intervention der Reformierten hin, wieder
errichtet. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse verlegte Kurfürst
Karl Philipp seine Residenz endgültig nach Mannheim, zumal das
Heidelberger Schloß, wie auch die Stadt, im Pfälzischen
Erbfolgekrieg zerstört worden war.

Die Scheidemauer wurde 1886 anläßlich eines Jubiläums nur
vorübergehend entfernt. 1894 war der Chor den Altkatholiken
zugewiesen worden und als diese zu einem Umzug in die
Erlöserkirche bereit waren, konnte man schließlich im Jahre 1936
die Scheidemauer endgültig beseitigen.

Die Kirche St. Georg wiederum war Teil eines Kollegiats der
Zisterzienser, in dem Studenten ihre Wohnungen hatten.
Vorübergehend wurde es als Geschützhaus benutzt, 1685 vollständig
restauriert, aber bereits 1693 durch Brand wieder sehr stark
beschädigt.

Das Franziskanerkloster auf dem heutigen Karlsplatz war bis 1565
eine Lateinschule. Nach der Zerstörung im PfälzischOrléanschen
Erbfolgekrieg wurden 1698 Kirche und Kloster wieder aufgebaut und
im Jahr 1804 jedoch gänzlich abgerissen. Der Dachreiter befindet
sich noch heute auf der evangelischen Kirche in Ziegelhausen.

An das ehemalige Dominikanerkloster erinnert heute nur noch eine
Mauer. Die Kirche stand an der Stelle, wo 1863 der Friedrichsbau,
im Volksmund „Anatomie“ genannt, errichtet wurde.

Das Augustinerkloster war 1552 aufgelöst worden, die Kirche wurde
als theologischer Hörsaal genutzt. Die Gesamtanlage wurde 1693
ebenfalls ein Raub der Flammen.

Das Kapuzinerkloster, gegenüber dem heutigen Kurpfälzischen
Museum an der Heidelberger Hauptstraße gelegen, diente den
Bürgern der Stadt 1693 als Hauptzufluchtsort, wurde später von
den Franziskanern erworben und Mitte des 19. Jahrhunderts
abgerissen.

In Heidelberg gab es aber noch weitere Klöster zur Zeit der
Kurfürsten: Die Karmeliter, das Schwarznonnenkloster der
Augustinerinnen und das Weißnonnenkloster der Dominikanerinnen.

Doch noch einmal zurück zum Stift Neuburg oberhalb des Neckars:
Das ganze Anwesen war 1799 der Universität überlassen worden und
wurde 1804 schließlich an eine Privatperson verkauft. 1825 erwarb
ein „Schwiegerneffe“ Goethes das Kloster. Es wurde ein
gastfreundliches Haus für Künstler der deutschen Romantik.
Alexander von Bernus war der letzte profane Besitzer bevor 1927
die Benediktiner das Anwesen wieder erwarben. 1928 zur Abtei
erhoben, ist es das einzige heute noch bestehende Kloster in
Heidelberg.

Aus: Schwetzinger Zeitung, ra, 20.10.1994

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