Rollrasen als neue landwirtschaftliche Zukunft
23.08.05 (Reilingen)
Rund um den Seehof wird auf 20 Hektar Rasen produziert / Reilinger Agraringenieur Peter Geng in der Vorreiterrolle
Seit Wochen wird in der Spargelgemeinde gerätselt, was wohl auf den riesigen Rasenflächen dem Reilinger See gegenüber liegend, entstehen soll. Die örtliche Gerüchteküche brodelt, jeder scheint besser informiert zu sein als der andere. Von einem Golfplatz ist die Rede, ein Hockeyfeld wird ebenso an den Stammtischen gehandelt, wie ein neues Sportgelände für die Reilinger Fußballer und die erfolgreichen Handballmannschaften. Und da Reilingen inzwischen auch als Reiterdorf weithin ein Begriff ist, wird inzwischen „aus gut informierten Kreisen“ sogar von einem exklusiven Poloclub gesprochen.
All diese Gerüchte, Vermutungen und Halbwahrheiten sind inzwischen Makulatur und werden sich schnell in Luft auflösen, denn mit Peter Geng meldete sich jetzt der Mann zu Wort, der es als Initiator der Rasenflächen schließlich am besten wissen muss: „Alles Quatsch, wir haben für unseren landwirtschaftlichen Betrieb ein neues Standbein geschaffen und produzieren Rollrasen.“ Gerade in einer auch für die Vollerwerbsbauern schwierigen Zeit, habe man sich auf dem Seehof neu orientieren müssen. Mit Roggen, Weizen und Zuckerrüben lasse sich, so Geng, heute fast kein Geld mehr verdienen. „Diesen Produktbereichen wird von Brüssel und Berlin bewusst Garaus gemacht“, kritisiert er das Verhalten von EU und Bundesregierung. Die Kosten für Saatgut, Maschinen und Ernte lasse inzwischen den Ertrag auf nahezu Null schrumpfen. Und da man nun mal von der Sonderkultur Spargel und der Milchwirtschaft allein nicht leben kann, musste nach neuen Erwerbsmöglichkeiten Ausschau gehalten werden. Eine intensive Marktanalyse führte schließlich direkt zum Rollrasen. „Wir müssen heute in der Landwirtschaft für neue Ideen offen sein und auch an Produktionsmöglichkeiten denken, die vor ein paar Jahren in der Branche noch belächelt worden wären.“
Da die Nachfrage nach fertigem und vor allem strapazierfähigem wie unkrautfreien Rasen weiter steigend ist, war für Peter Geng nach familieninterner Beratung die Entscheidung klar: „Wir steigen in das Rollrasen-Geschäft ein.“
Für den Absolventen der Universität Stuttgart-Hohenheim grundsätzlich kein großes Problem, sich mit anderen Pflanzenarten als bisher zu beschäftigen, aber dennoch wurde dem Diplom-Agraringenieur, der aus einer alteingesessenen Reilinger Bauernfamilie stammt, schnell klar, dass auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Rasenkultivierung noch viel Pionierarbeit zu leisten ist. Da er im weiten Umkreis der erste Produktionsbetrieb für Rollrasen ist, konnte zunächst auch kein Erfahrungsaustausch mit Kollegen weiterhelfen. Eine wissenschaftliche Bodenuntersuchung im Herbst 2004 bestätigte die Produktionsmöglichkeit von Rasen rund um den Seehof zwischen Reilingen und Neulußheim. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, wurden teilweise Ackerflächen mit anderen Landwirten getauscht und so ein zusammenhängendes Gelände von rund 20 Hektar geschaffen.
Ehe aber der Boden für die Einsaat vorbereitet werden konnte (die Felder dürfen keine Furchen, Löcher oder Schollen haben), mussten erst einmal die passenden Maschinen beschafft werden. Da es mit der speziellen Technik im Handel nicht weit her war, waren Peter Geng und sein Sohn Philipp (er ist Auszubildender im dritten Lehrjahr in der Landwirtschaft) gefordert, vorhandene Maschinen so abzuändern, um sie für das neue Produkt einsetzen zu können.
Bereits bei der Saat machte sich das technische Wissen bezahlt, denn mit der Sämaschine, der Kreiselegge und der Stabwalze zur Rückverfestigung des Bodens wurden drei Maschinen zu einem Arbeitsgang zusammenmontiert. Je nach späterer Nutzung wurden im März diesen Jahres verschiedene Grassaatmischungen auf die Felder ausgebracht und flach in den Boden eingearbeitet. Bereits nach vier Tagen waren die ersten Gräser zu sehen. Vor allem das Weidelgras (das kräftige Obergras bildet das „Gerüst“ von Rasenflächen) sorgte innerhalb kürzester Zeit für einen grünen Anblick auf den Feldern am Reilinger See. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte noch lange nicht an einen fertigen Rollrasen mit kräftigem Rasensoden (Wurzelgeflecht) gedacht werden. Von Juni bis August wurden die Rasenflächen täglich mit Wasser aus den Beregnungsbrunnen bewässert, die Flächen pflanzenschutztechnisch behandelt. „Dabei kamen aber nur die für die Rasenproduktion zugelassenen Unkrautvernichtungsmittel zum Einsatz.“ Für Peter Geng aber auch keine Frage, den Rasen beim Begehen auch von Hand von möglichem Unkraut zu befreien. „Dabei handelt es sich vor allem um Knöterich, Kamille, Gänsefuß und die Scheissmilbe, wie man in Reilingen zu sagen pflegt“, lacht der beliebte Landwirt, der als langjähriger Gemeinderat auch in der Kommunalpolitik aktiv ist. Die wichtigste Pflege des jungen Rasens sei aber das regelmäßige Mähen. „Mindestens alle zwei Tage, manchmal sogar täglich.“
Und das Ergebnis kann sich inzwischen sehen lassen: Mit einem speziell konstruierten und erst vor wenigen Tagen gelieferten Rasensodenschneider wurden anlässlich des Tages der Gläsernen Produktion (wir berichteten) erstmals die ersten 2,5 Meter langen und 40 Zentimeter breiten Rasenstücke geerntet. Diese werden mit vibrierenden Messern vom Boden abgeschält, auf Größe geschnitten und über ein Förderband zum Rollen transportiert. Die kompakt gerollten Rasenstücke werden schließlich von einem Erntehelfer palettiert – und sind verkaufsfertig.
„Bei uns gibt es wie bei der Weihnachtsbaum-Plantage die Möglichkeit, bei entsprechender Voranmeldung bei der Ernte des zukünftigen Rasens mit dabei zu sein“, macht Peter Geng deutlich, dass private Gartenbesitzer und Häuslebauer ebenso zu seinen zukünftigen Kunden gehören werden wie Gartenbaubetriebe, Gärtnereien, Landschaftsgestalter oder Event-Ausstatter. „Bei guter Bewässerung kann der Rollrasen auch auf Beton als natürliche Dekoration genutzt werden.“
Da es nur wenige Krankheiten gibt, die einem Rasen gefährlich werden können und es auch sonst fast keine natürlichen Schädlinge gibt, ärgert sich Peter Geng aber um so mehr über die Unvernunft von Radfahrern, Spaziergänger, Hundebesitzer, Reiter oder Kutschenfahrer, die die Rasenflächen immer wieder zu einem „Ausflug“ benutzen. „An manchen Stellen wurde bereits die Arbeit von Monaten zunichte gemacht.“ Dennoch hofft er auf das Verständnis seiner Mitbürger, denn Einzäunen möchte er die 20 Hektar Rasen nicht. „Dann wäre es tatsächlich nicht mehr weit, dass rund um den Seehof eine riesige Freizeitanlage entsteht.“ Dies aber könne nicht im Sinne eines landwirtschaftlichen Produktionsbetriebes sein. Auch wenn Rollrasen keine Sonderkultur ist, sondern nach offiziellem Sprachgebrauch „nur“ ein „sonstiges Handelsgewächs“.
In Reilingen jedenfalls werden mit dieser Produktionsanlage neue Wege in der Landwirtschaft beschritten, was von vielen Seiten mit großem Interesse verfolgt wird. Wird Reilingen nach der Spargelgemeinde, dem Passions- und Reiterdorf nun auch zur Rollrasen-Hochburg? Man darf gespannt sein …
Mehr unter www.die-rasenpartner.de
Seit Wochen wird in der Spargelgemeinde gerätselt, was wohl auf den riesigen Rasenflächen dem Reilinger See gegenüber liegend, entstehen soll. Die örtliche Gerüchteküche brodelt, jeder scheint besser informiert zu sein als der andere. Von einem Golfplatz ist die Rede, ein Hockeyfeld wird ebenso an den Stammtischen gehandelt, wie ein neues Sportgelände für die Reilinger Fußballer und die erfolgreichen Handballmannschaften. Und da Reilingen inzwischen auch als Reiterdorf weithin ein Begriff ist, wird inzwischen „aus gut informierten Kreisen“ sogar von einem exklusiven Poloclub gesprochen.
All diese Gerüchte, Vermutungen und Halbwahrheiten sind inzwischen Makulatur und werden sich schnell in Luft auflösen, denn mit Peter Geng meldete sich jetzt der Mann zu Wort, der es als Initiator der Rasenflächen schließlich am besten wissen muss: „Alles Quatsch, wir haben für unseren landwirtschaftlichen Betrieb ein neues Standbein geschaffen und produzieren Rollrasen.“ Gerade in einer auch für die Vollerwerbsbauern schwierigen Zeit, habe man sich auf dem Seehof neu orientieren müssen. Mit Roggen, Weizen und Zuckerrüben lasse sich, so Geng, heute fast kein Geld mehr verdienen. „Diesen Produktbereichen wird von Brüssel und Berlin bewusst Garaus gemacht“, kritisiert er das Verhalten von EU und Bundesregierung. Die Kosten für Saatgut, Maschinen und Ernte lasse inzwischen den Ertrag auf nahezu Null schrumpfen. Und da man nun mal von der Sonderkultur Spargel und der Milchwirtschaft allein nicht leben kann, musste nach neuen Erwerbsmöglichkeiten Ausschau gehalten werden. Eine intensive Marktanalyse führte schließlich direkt zum Rollrasen. „Wir müssen heute in der Landwirtschaft für neue Ideen offen sein und auch an Produktionsmöglichkeiten denken, die vor ein paar Jahren in der Branche noch belächelt worden wären.“
Da die Nachfrage nach fertigem und vor allem strapazierfähigem wie unkrautfreien Rasen weiter steigend ist, war für Peter Geng nach familieninterner Beratung die Entscheidung klar: „Wir steigen in das Rollrasen-Geschäft ein.“
Für den Absolventen der Universität Stuttgart-Hohenheim grundsätzlich kein großes Problem, sich mit anderen Pflanzenarten als bisher zu beschäftigen, aber dennoch wurde dem Diplom-Agraringenieur, der aus einer alteingesessenen Reilinger Bauernfamilie stammt, schnell klar, dass auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Rasenkultivierung noch viel Pionierarbeit zu leisten ist. Da er im weiten Umkreis der erste Produktionsbetrieb für Rollrasen ist, konnte zunächst auch kein Erfahrungsaustausch mit Kollegen weiterhelfen. Eine wissenschaftliche Bodenuntersuchung im Herbst 2004 bestätigte die Produktionsmöglichkeit von Rasen rund um den Seehof zwischen Reilingen und Neulußheim. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, wurden teilweise Ackerflächen mit anderen Landwirten getauscht und so ein zusammenhängendes Gelände von rund 20 Hektar geschaffen.
Ehe aber der Boden für die Einsaat vorbereitet werden konnte (die Felder dürfen keine Furchen, Löcher oder Schollen haben), mussten erst einmal die passenden Maschinen beschafft werden. Da es mit der speziellen Technik im Handel nicht weit her war, waren Peter Geng und sein Sohn Philipp (er ist Auszubildender im dritten Lehrjahr in der Landwirtschaft) gefordert, vorhandene Maschinen so abzuändern, um sie für das neue Produkt einsetzen zu können.
Bereits bei der Saat machte sich das technische Wissen bezahlt, denn mit der Sämaschine, der Kreiselegge und der Stabwalze zur Rückverfestigung des Bodens wurden drei Maschinen zu einem Arbeitsgang zusammenmontiert. Je nach späterer Nutzung wurden im März diesen Jahres verschiedene Grassaatmischungen auf die Felder ausgebracht und flach in den Boden eingearbeitet. Bereits nach vier Tagen waren die ersten Gräser zu sehen. Vor allem das Weidelgras (das kräftige Obergras bildet das „Gerüst“ von Rasenflächen) sorgte innerhalb kürzester Zeit für einen grünen Anblick auf den Feldern am Reilinger See. Aber zu diesem Zeitpunkt konnte noch lange nicht an einen fertigen Rollrasen mit kräftigem Rasensoden (Wurzelgeflecht) gedacht werden. Von Juni bis August wurden die Rasenflächen täglich mit Wasser aus den Beregnungsbrunnen bewässert, die Flächen pflanzenschutztechnisch behandelt. „Dabei kamen aber nur die für die Rasenproduktion zugelassenen Unkrautvernichtungsmittel zum Einsatz.“ Für Peter Geng aber auch keine Frage, den Rasen beim Begehen auch von Hand von möglichem Unkraut zu befreien. „Dabei handelt es sich vor allem um Knöterich, Kamille, Gänsefuß und die Scheissmilbe, wie man in Reilingen zu sagen pflegt“, lacht der beliebte Landwirt, der als langjähriger Gemeinderat auch in der Kommunalpolitik aktiv ist. Die wichtigste Pflege des jungen Rasens sei aber das regelmäßige Mähen. „Mindestens alle zwei Tage, manchmal sogar täglich.“
Und das Ergebnis kann sich inzwischen sehen lassen: Mit einem speziell konstruierten und erst vor wenigen Tagen gelieferten Rasensodenschneider wurden anlässlich des Tages der Gläsernen Produktion (wir berichteten) erstmals die ersten 2,5 Meter langen und 40 Zentimeter breiten Rasenstücke geerntet. Diese werden mit vibrierenden Messern vom Boden abgeschält, auf Größe geschnitten und über ein Förderband zum Rollen transportiert. Die kompakt gerollten Rasenstücke werden schließlich von einem Erntehelfer palettiert – und sind verkaufsfertig.
„Bei uns gibt es wie bei der Weihnachtsbaum-Plantage die Möglichkeit, bei entsprechender Voranmeldung bei der Ernte des zukünftigen Rasens mit dabei zu sein“, macht Peter Geng deutlich, dass private Gartenbesitzer und Häuslebauer ebenso zu seinen zukünftigen Kunden gehören werden wie Gartenbaubetriebe, Gärtnereien, Landschaftsgestalter oder Event-Ausstatter. „Bei guter Bewässerung kann der Rollrasen auch auf Beton als natürliche Dekoration genutzt werden.“
Da es nur wenige Krankheiten gibt, die einem Rasen gefährlich werden können und es auch sonst fast keine natürlichen Schädlinge gibt, ärgert sich Peter Geng aber um so mehr über die Unvernunft von Radfahrern, Spaziergänger, Hundebesitzer, Reiter oder Kutschenfahrer, die die Rasenflächen immer wieder zu einem „Ausflug“ benutzen. „An manchen Stellen wurde bereits die Arbeit von Monaten zunichte gemacht.“ Dennoch hofft er auf das Verständnis seiner Mitbürger, denn Einzäunen möchte er die 20 Hektar Rasen nicht. „Dann wäre es tatsächlich nicht mehr weit, dass rund um den Seehof eine riesige Freizeitanlage entsteht.“ Dies aber könne nicht im Sinne eines landwirtschaftlichen Produktionsbetriebes sein. Auch wenn Rollrasen keine Sonderkultur ist, sondern nach offiziellem Sprachgebrauch „nur“ ein „sonstiges Handelsgewächs“.
In Reilingen jedenfalls werden mit dieser Produktionsanlage neue Wege in der Landwirtschaft beschritten, was von vielen Seiten mit großem Interesse verfolgt wird. Wird Reilingen nach der Spargelgemeinde, dem Passions- und Reiterdorf nun auch zur Rollrasen-Hochburg? Man darf gespannt sein …
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