Von Jagdbombern wie die Hasen gejagt
08.04.02 (Geschichte allg.)
Ein herrlicher Frühlingstag war angebrochen. Die Bewohner der Rennstadt hockten aber vorwiegend in ihren Häusern, denn außerhalb wurden sie von den allgegenwärtigen Jagdbombern wie die Hasen gejagt. Bei helllichtem Tag war es so gut wie unmöglich, draußen in der Gemarkung das Feld zu bestellen oder im Garten der gewohnten Arbeit nachzugehen. Obwohl der zweite Weltkrieg in der Karwoche 1945 für Hockenheim und die umliegenden Gemeinden so langsam zu Ende gehen sollte, war ein von den Kriegsereignissen zwar geprägtes, aber dennoch relativ geordnetes Leben nicht mehr möglich. Die Jabos der Amerikaner und Franzosen kontrollierten inzwischen fast das gesamte Gebiet der Kurpfalz. Fliegeralarm war tags und nachts. Die Menschen hatten sich daran gewöhnt. Das Motorengedröhn der fliegenden Festungen war besonders in den Nächten bei Angriffen auf Stuttgart, Heilbronn, Pforzheim oder Mannheim fast schon zur Gewohnheit geworden. Aber direkte Angriffe auf die wehrlosen Bewohner der Stadt waren etwas Neues.
Eine abrückende SS-Pioniereinheit der SS-Division “Götz von Berlichingen” wollte in Hockenheim beim Anrücken der Kampfverbände zwar noch die Kraichbachbrücken in und um Hockenheim zerstören, gab aber ob der immer wieder zurückkehrenden Tiefflieger dieses sinnlose Vorhaben auf. Letzte Verbände der abrückenden Wehrmacht sprengten dann aber doch noch die Kraichbachbrücke an der Umgehungsstraße (spätere B 36) sowie die Überführungsbrücke über die Rheintalbahn.
Je schneller sich die US-Armee dem Rhein näherte, umso hektischer wurden die Aktivitäten in der Stadt. Obwohl verboten, wollten vor allem die katholischen Nazi-Gegner in Hockenheim ihre Heimatstadt retten und sie kampflos übergeben. Dieses Vorhaben stieß auf erbitterten Widerstand bei der NSDAP-Ortsleitung und beim Ortsbauernführer, die die Heimatfront zu organisieren hatten. Die Amerikaner rückten immer näher und begannen mit der Beschießung von Hockenheim. Vor allem die Angriffe während der Karwoche 1945 verursachten den Tod oder schwere Verletzungen zahlreicher Zivilpersonen. Kinder, die mit weggeworfener Munition und Handgranaten hantierten, wurden getötet. Die Zwangsarbeiter, die die kommende Freiheit spürten, zogen plündernd durch die Straßen.
Mit Angst erwarteten die Hockenheimer Bürger mit weißen Betttüchern in den Fenstern – die NSDAP-Ortsleitung und alle deutschen Kampfverbände hatten sich inzwischen in Richtung Kraichgau/Odenwald abgesetzt – die Amerikaner. Diese hatten in den frühen Morgenstunden des 30. März bei Speyer mittels Pontonbrücken auf breiter Front den Rhein überquert. Vom Talhaus her, aus Richtung Altlußheim und vom Insultheimer Hof kommend, rückten die GIs in die Stadt ein. Panzerspähwagen voraus durchkämmten Infanterieeinheiten der 7th US-Army die Straßen, Mühl- und Kraichbachgärten, um wenig später das Rathaus zu stürmen. Als sie wieder heraus kamen, hatten einige Hakenkreuzfahnen, die sie gefunden hatten, um den Bauch gebunden.
Hitler-Bilder wurden zerstört, mögliche NS-Oberen der Stadt verhaftet. Diese Aktionen wurden von den französischen Truppen fortgesetzt, die nach dem Abzug der amerikanischen Kampfverbände Hockenheim für einige Wochen besetzt hielten. Vor allem die marokkanischen Truppenteile sorgten in der Stadt für “wildes Durcheinander”. Eine Situation, die noch lange Zeit anhalten sollte und durch die Ankunft von vielen Hundert Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten noch verstärkt wurde. Hockenheim hatte in den Nachkriegsjahren eine schwere Zeit zu meistern. (og)