Von Spargeln und anderen Küchengeheimnissen
14.05.97 (Geschichte allg., Speisen & Getränke)
Jetzt ist es wieder soweit und die Liebhaber des königlichen Gemüses können aufatmen: Die erntefrischen Spargel der Saison 1997 sind überall in den Gemeinden entlang der Badischen Spargelstraße und darüber hinaus erhältlich. Wer weiß, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn nicht der kunstsinnige und trinkfreudige Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz nicht schon 1720 den Spargel im Hofgarten seiner Schwetzinger Sommerresidenz hätte anpflanzen lassen. Der barocke Regent, in dessen Schloßkeller in Heidelberg das größte Faß der Welt lagert, liebte pompöse Feste und Tafeleien. Allerdings halfen erst couragierte Bürger dem Siegeszug des Spargels auf den Weg, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts versuchten, Spargel zu kultivieren.
So brachte auch der Reilinger Franz Dörfer den Spargelanbau um die Jahrhundertwende in das Dorf an der unteren Kraich. Dörfer lieferte die Erzeugnisse seines landwirtschaftlichen Betriebes an die Firma Haßler nach Schwetzingen. Von dort soll er dann auch die Anregung erhalten haben, auch in Reilingen den Spargelanbau zu versuchen. Einige andere Landwirte, die von Dörfer angesprochen wurden, wollten zuerst nicht mitmachen, weil der Spargel auch an Sonntagen gestochen werden muß. Den Sonntag durch Arbeit zu entehren, war damals aber noch ein Sakrileg. Heute ist dies längst alles anders: Rund um Reilingen wird Spargel angebaut und allein in Baden setzten 1996 die Erzeuger rund 25 Millionen Mark mit Spargel um.
Mit zu den größten Abnehmern der lukullischen Delikatesse gehören entlang der Badischen Spargelstraße vor allem die vielen Restaurants, Landgasthöfe und Wirtshäuser, die sich auf Spargelgerichte spezialisiert haben. Da kommen schon einige Tonnen zusammen, die während der Spargelsaison verarbeitet werden müssen. Und wenn man an die Verarbeitung von Spargel denkt, ist noch immer Handarbeit angesagt. Das königliche Gemüse wird am frühen Morgen auf den Feldern von Hand gestochen, dann gewaschen, sortiert und zum Verkauf aufgeschichtet.
Vor allem im Vorfeld der 3. Süddeutschen Spargeltage in Reilingen gab es für Landwirte und Gastronomie viel zu tun. Fast sieben Zentner Spargel wurden bereits zwei Tage vorher so nach und nach in die Küche des Landgasthofes ”Zum Engel” angeliefert, denn der Gastwirt Toni Kellner und sein Team hatten es übernommen, die vielen Besucher in den Mannherz-Hallen zu verköstigen. Eigentlich ein schlechter Ausdruck für die vielen Genießer lukullischer Spargelspezialitäten, die eigens wegen eines Geschmackserlebnisses in das Spargelrestaurant des Landgasthofes ”Zum Engel” in die Ausstellungshalle gekommen waren.
Ehe aber die weißen, zarten Stangen auf den Tellern angerichtet werden, ist zunächst wieder Handarbeit angesagt: Putzarbeit nämlich. Man stelle sich nur mal den Berg von fast sieben Zentnern Spargel vor – und dahinter die Küchenmannschaft des ”Engels”. Soviel Spargel von Hand zu putzen, sei nur in einem Familienbetrieb möglich, erklärt Toni Kellner dem ”Kurpfälzer Anzeiger” in einer Putzpause. Zusammen mit seiner Frau Gerda, Sohn Ralf und Tochter Kirsten, sowie Schwiegersohn Bernhard Kolb und der zukünftigen Schwiegertochter Gaby Huber stehen sechs Personen rund um den großen Küchentisch, um einen Spargel nach dem anderen zu schälen. Die Schälmesser gleiten geschwind die weißen Stangen entlang und nach längstens sieben Sekunden werden diese geputzt auf die Seite gelegt. Ein kritischer Blick bestätigt: die Spargel sind sauber geschält und ohne holzige Stellen. Man merkt selbst nach fortgeschrittener Zeit, daß da erfahrene Spargelgastronomen am Werk sind.
Mittlerweile ist es Samstagvormittag. Die Küche des ”Engels” wurde in die Mannherzhalle verlegt. Für zwei Tage ist der Landgasthof in der Reilinger Hauptstraße im Unterdorf geschlossen. Alle Kräfte sind auf die Gastronomie während den 3. Süddeutschen Spargeltagen gerichtet. Bereits seit dem frühen morgen dampft es über den Töpfen in der Großküche der Mehrzweckhalle. Aus dem Spargelabfall wurde eine Brühe ausgekocht, die als ideale Grundlage für eine Sauce Hollandaise gilt. Aus dem eigentlichen Spargelsud, der beim Garen der Spargel anfällt, wird eine leckere Spargelsuppe gezaubert, klar oder legiert. Die ersten Stangen sind in der Zwischenzeit abgekühlt und werden mit geschickten Händen zu Spargelröllchen verarbeitet. Das diese, umwickelt mit Räucherlachs, ganz vorzüglich munden, weiß mancher Feinschmecker erst seit den Reilinger Spargeltagen. Doch nicht nur die Spargel müssen gegart werden. In großen Töpfen kochen auf dem Herd die Kartoffeln. Am Ende der Großveranstaltung werden es fast zwei Zentner gewesen sein. Eine weitere beliebte Beilage sind die Pfannkuchen aus dem ”Engel”, die Gerda Kellner nach einem besonderen Rezept herstellt. Fast 600 Eier werden für die Unmengen von Pfannkuchen gebraucht, die an den beiden Tagen bestellt werden.
Mittlerweile sind die Vorarbeiten abgeschlossen. Die Spargelkönigin der Badischen Spargelstraße, Tina Heil aus Graben-Neudorf, besucht gerade die Küche und die Mannschaft von Toni Kellner, als die ersten Bestellungen eingehen. Schnell kostet sie noch vom ”weißen Gold des Rheintales”, wie sie sinnigerweise den Spargel nennt, gratuliert dem Küchenteam des ”Engels” für den feinen Geschmack und die attraktiv zusammengestellte Speisekarte.
Jetzt herrscht Hochbetrieb in der Küche. Pro Portion werden ein Pfund, das sind rund 20 Spargel, auf die Teller angerichtet, mit Sauce Hollandaise drappiert, mit etwas Schnittlauch bestreut und zusammen mit den Beilagen, je nach Wunsch Schinken, Schnitzel, Kartoffel oder Pfannkuchen, küchenfrisch zubereitet den wartenden Gästen serviert. Während den 3. Süddeutschen Spargeltagen geht es so Schlag auf Schlag. Trotzdem bleibt Toni Kellner immer wieder die Zeit, den Gästen zahlreiche Fragen zu beantworten. Daß der angebotene Spargel ausnahmslos von Reilingern Landwirten stammt, ist fast selbstverständlich.
Welchen Wein man nun aber zu Spargel trinken soll, da streiten sich noch immer die (Wein-)Geister. Hier kommt Toni Kellner die jahrelange Erfahrung aus dem Weinhandel zu Gute. Für ihn muß ein Wein die Harmonie eines Spargelgerichtes geschmacklich abrunden. Um den Eigengeschmack von Spargel hervorzuheben, rät er jedem Gast, einen säurearmen Wein zu bestellen: einen Weißburgunder etwa, oder auch ein Gutedel.
Am Ende der Spargeltage wissen Toni Kellner und seine Familie, was sie (auch körperlich) geleistet haben. Sie freuen sich wieder zurück in die Küche des Landgasthofes ”Zum Engel”, wo bereits am nächsten Tag die Gäste aus nah und fern darauf warten, mit leckeren Spargelspezialiten verwöhnt zu werden – und dasd noch bis zum Johannistag, dem traditionellen Ende der Spargelzeit. (og)