Wie Hockenheim zu einer Rennstrecke kam
20.06.02 (Städte & Gemeinden, Straßen, Fähren & Verkehr)
70 Jahre Hockenheimring / Ernst Christ gilt als Vater der Traditionsrennstrecke
Hockenheim ist durch drei Dinge bekannt geworden: durch Zigarren, durch Spargel, aber noch mehr durch seine Rennstrecke. Als der junge Hilfszeitnehmer Ernst Christ 1930 zusammen mit anderen engagierten Männern den Plan ins Auge fasste, in seiner Heimatstadt eine Rennstrecke zu gründen, konnte die spätere Bedeutung noch nicht einmal erahnt werden. Viele zweifelten, ob es überhaupt gelingen würde, den Gedanken in die Tat umzusetzen. Christ ließ sich nicht beirren und kam Schritt für Schritt der Verwirklichung seiner Idee näher. Hockenheims Bürgermeister Philipp Klein wurde für das Projekt gewonnen, der DMV gab die Zusage, die neue Strecke zu nutzen. Gleichzeitig beauftragte er die Landesgruppe Südwest mit der Durchführung des ersten Rennens.
Am 1. Dezember 1931 wurde der Motorfahrer Club Hockenheim gegründet, am 25. Dezember 1931 billigte der Hockenheimer Gemeinderat einstimmig die Rennstrecken-Vorlage. Die Bereitstellung von Mitteln aus dem Arbeitsbeschaffungsprogramm ermöglichte die Bezahlung der Arbeiter, so dass die Bauarbeiten am 23. März 1932 beginnen konnten.
Mit dem Start zum ersten Motorradrennen am 29. Mai 1932 ging nicht nur ein Traum in Erfüllung. Für die nordbadische Kleinstadt begann ein Aufstieg, der ihren Namen in der ganzen Welt bekannt machen sollte. Star des ersten Motorradrennens war Deutschlands „berühmtester Engländer“ Tom Bullus. Tief gebeugt jagte er über die endlos scheinenden Geraden des neuen Dreieckskurses und vergrößerte von Runde zu Runde seinen Vorsprung. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei ca. 170 km/h. Mit einem Durchschnitt von 127 km/h gewann er das erste 500er-Rennen.
Die Ehre des ersten Sieges auf der neuen Rennstrecke gebührte allerdings einem echten Hockenheimer: Arthur Geiß gewann den Lauf der 250er-Lizenzfahrer auf einer DKW.
Und bei den 500er-Ausweisfahrern siegte ein Fahrer, der in Hockenheim sein erstes Motorradrennen überhaupt bestritt: Wilhelm Herz. Dieser ahnte damals noch nicht, dass sich sein zukünftiger Lebensweg immer wieder mit der Geschichte der Hockenheimer Rennstrecke kreuzen und er selbst einmal ein Stück HockenheimGeschichte schreiben würde.
Die Streckenführung des Hockenheimer Kurses änderte sich 1938 grundlegend. Aus dem 1932 gebauten Dreieckskurs entstand in weiten Teilen die bis Ende 2001 genutzte Strecke. Durch den Einbau der Ostkurve erhielt der Hockenheimring seine bekannte ovale Form und wurde in Verbindung mit der Streckenverbreiterung zu einem Hochgeschwindigkeitskurs. In puncto Sicherheit galt der neue „Kurpfalzring“ für seine Zeit als besonders vorbildlich.
Der Zustand des Hockenheimrings sowie die Lage des deutschen Motorsports im Jahr 1945 ähnelten sich in auffallender Weise. Beide waren schwer angeschlagen und es war fraglich, ob es in absehbarer Zeit wieder Motorsport geben würde. Doch bereits zwei Jahre später, am 11. Mai 1947, donnerten erneut die Motoren. Beim zehnten Jubiläumsrennen am 8./9. Mai 1948 präsentierte der Hockenheimring eine Veranstaltung der Superlative, bei der vor allem Wilhelm Herz und Georg Meier beeindruckten. Herz gewann auf der 350er Kompressor-NSU mit fast zwei Minuten Vorsprung und einem neuen Rundenrekord von 158,7 km/h sein erstes Nachkriegsrennen. Georg Meier, der 1948 seine Rennwagenkarriere wieder aufnahm, kam in der Rennwagenklasse auf Veritas zu einem überlegenen Sieg. Bei den Rennmotorrädern in der 500er-Klasse brachte Georg Meier dann das Kunststück fertig, erneut als Sieger durchs Ziel zu fahren und wurde somit Doppeisieger.
Am 19. Mai 1957 wurde erstmals der Große Preis von Deutschland für Motorräder in Hockenheim ausgetragen. Die Rennstadt stand nun auf einer Ebene mit Berlin, dem Nürburgring, Hohenstein-Ernstthal und Stuttgart (Solitude), die vorher Austragungsstätte des deutschen Grand Prix gewesen waren. Ein hervorragendes Fahrerfeld mit allen Spitzenleuten jener Jahre hatte die Startzusage gegeben. Sportlich gesehen war man nach diesem Renntag hochzufrieden, finanziell nicht. Ein Defizit von 23.000 DM wog zu einer Zeit, da der Motorsport in Deutschland am Boden lag, besonders schwer. Umso mehr schätzte man das Engagement des BMC, der dem Motorsport zuliebe dieses Wagnis eingegangen war.
Lokale Probleme sowie die Neuplanung der Autobahn Mannheim-Walldorf (1960) machten eine Veränderung des alten Hockenheimrings unumgänglich. Ernst Christ erarbeitete 1961 eine „Motodrom“-Konzeption, die den Ansprüchen von Fahrern, Zuschauern und Veranstaltern gleichermaßen Rechnung trug. Obwohl ein Neubau unter den verschiedenen Möglichkeiten die kostengünstigste Lösung darstellte, ergaben sich dennoch beträchtliche Finanzierungsprobleme. Kurt Buchter, damaliger Bürgermeister von Hockenheim und Sachexperte im Verwaltungsbereich, erreichte in zähen und geschickten Verhandlungen mit dem Bund, dem Land Baden-Württemberg, der Kraftfahrzeugindustrie und der Markenartikelbranche eine zufriedenstellende Lösung der Baufinanzierung. Die Hockenheim-Ring GmbH trug dabei mehr als die Hälfte der anfallenden Baukosten. Beginn der Umbauphase war im Frühjahr 1964.
Weit über 16 Millionen Mark hatte der Bau des Motodroms verschlungen. Ernst Christ, der „Vater des neuen Hockenheimrings“, wollte den Zuschauern möglichst viel Einblick ins Renngeschehen bieten. Arenenartige Vorbilder in den USA standen Pate, als Christ den Entwurf für das Motodrom präsentierte: Ein Stadion für Motorsportbegeisterte, nicht mehr und nicht weniger.
Die Formel 1 mag zwar für die meisten Schlagzeilen sorgen, doch die meisten Zuschauer lockte bis Anfang der 90er Jahre stets der deutsche Motorrad-Grand Prix. Weit mehr als 100.000 Besucher bestätigten bei der Premiere am 26. Mai 1966 die Richtigkeit der Rennstreckenplaner: Der MotorradGrand Prix von Deutschland sorgte für guten Sport, gutes Wetter und gute Einnahmen.
Mit dem Bau des Motodroms wurden alle Voraussetzungen geschaffen, um den Hockenheimring verstärkt dem Automobilsport zugänglich zu machen. Von 1967 bis 1984 war und blieb das Motodrom das „Mekka für die Formel 2“: Sage und schreibe 38 Formel 2-Großveranstaltungen, davon allein 33 Europameisterschaftsläufe, wurden durchgeführt – so viel wie auf keiner anderen Rennstrecke der Welt.