Wo "das Wolferl" den Sternen ganz nah kam
13.09.04 (Landschaft & Orte, Musik, Kunst & Kultur)
Nur gut, dass er dieses langsame Verlöschen der Sternwarte nicht mehr erleben musste: Als der Hofastronom Pater Christian Mayer 1784 starb, hinterließ er der Stadt und dem badischen Erdkreis ein von den Himmelswissenschaften genutztes Bauwerk allererster Güte. Es hätte einer – nach Einschätzung der Mayer’schen Zeitgenossen – schon bis Palermo oder Mailand, mindestens aber bis Paris oder Gotha reisen müssen, um einen ähnlich bedeutsamen Ort zur Beobachtung der Gestirne zu finden. Und heute?
Das Oktogon am Friedrichspark präsentiert sich uns als ein Bild des Jammers: Der Putz blättert – mal wieder – ab, Wildwuchs überwuchert die Nebeneingänge, Brandspuren an einem Holzportal zeugen vom jüngsten – glimpflich abgelaufenen – Brand um die Jahreswende 2003/2004 an dem einst prächtigen Bau. Den hatte Kurfürst Carl Theodor auf Wunsch Mayers zwischen 1772 und 1778 zum Ruhm und zur Ehre der Nachfahren eines gewissen Kopernikus erbauen lassen – für 70.000 Gulden. Nach Mayers Tod forschten Astronomen weiter in der Sternwarte, doch 1880 war endgültig Schluss. Der Vizentiner Roger Bary war wohl der letzte Wissenschaftler, der gegenüber dem Mannheimer Schloss dem Lauf der Gestirne nachspürte.
Heute belegen einzig vier Namensschildchen am Haupteingang, dass in dem verlassen erscheinenden Gemäuer noch gearbeitet wird: Eine Hand voll Künstler nutzt den Turm etagenweise als Atelier. Er lebt also, auch wenn er zunächst den Eindruck erweckt, er sei längst in einen lang anhaltenden Dornröschenschlaf gefallen. Der beinahe unaufhaltsame Gang der Dinge, der unbeirrt dem Verfall in die Hände arbeitende Lauf der Zeit könnte demnächst gestoppt werden: Amtlich ist noch nichts, aber wenn nicht alle Anzeichen trügen, dann werden keine Lichtjahre mehr vergehen, bis wir Zeugen einer vielleicht wieder glänzenden Zukunft der Sternwarte Mannheim werden: Kulturbürgermeister Dr. Peter Kurz wollte auf Anfrage jedenfalls nicht leugnen, dass eine Gruppe wohlmeinender Experten „erste Überlegungen“ dazu anstellt, wie die Existenz der Sternwarte gesichert, wie das Achteck saniert und poliert werden könnte.
Die Initiatoren der geplanten Sanierungen haben vermutlich die nähere Zukunft schon fest im Blick. Nach dem Schillerjahr 2005 wird auch das Jahr 2006 – zumindest im so genannten alten Europa – reichlich Anlass zum Feiern bieten: Dann nämlich steht Mozarts 250. Geburtstag an. Und dass das Musikgenie aus Salzburg zu Mannheim eine ganz besondere Affinität hatte, ist weithin überliefert und schriftlich gesichert. Nicht nur, dass er die Tochter Constanze des Notenkopisten Weber ehelichte und am Hofe Carl Theodors Bekanntschaft mit Cannabich und der Mannheimer Schule machte. Anlässlich seines Mannheim-Aufenthaltes im Jahr 1778 war er auch Gast der Sternwarte. Ein Eintrag im Gästebuch – das mittlerweile in Heidelberg verwahrt wird – verbürgt offenbar diesen Abstecher des „Wolferls“ ins Reich der Sterne.
Einer Stadt wie Mannheim also, die mit Friedrich Schiller und Mozart gleich zwei Genies zeitweise in ihren Mauern wusste, stünde es nach Auffassung von Dr. Kurz durchaus an, sich um respektable Stätten der Würdigung solcher Geistesgrößen zu bemühen. Die Sternwarte ließe sich nach Meinung von Dr. Kurz sicher zu einem „Erinnerungsort“ an Wolfgang Amadeus Mozart umgestalten: „Da gibt es doch einen authentischen Bezug zu Mozart“, betont der Dezernent, um freilich gleich anzufügen: „Spruchreif ist noch gar nichts“, die Idee sei angedacht. Erste Gespräche über das Ob und Wie sollen in den nächsten Tagen anlaufen.
© Mannheimer Morgen – Harald Sawatzki – 13. September 2004