Zu Besuch bei Neckarschleimern, Sandhasen und Löwenjägern
02.09.96 (Brauchtum & Tradition, Städte & Gemeinden)
Jemanden einen „Puhlzabbe“ zu nennen, erfüllt, rein juristisch
gesehen, den Tatbestand einer Beleidigung. Handelt es sich doch
dabei um den Abflußhahn eines „Puhlfasses“ wobei „Puhl“ für das
hochdeutsche Gülle steht. Dennoch hat dieser etwas anrüchige
Namen in Mannheim nichts ehrenrühriges an sich. Die Seckenheimer,
die ihn tragen, tun dies gelassen und nicht ohne einen gewissen
Stolz im Blick. Wie wäre es auch anders zu erklären, daß auf dem
Seckenheimer Marktplatz ein Puhlzabbebrunen munter vor sich
hinplätschert?
Auch „Neckarschleimer“ (für Neckarstädter), „Sandhas“ (für
Rheinauer), „Löwenjäger“ (für Käfertaler) oder „Pilwe“ (für
Neckarauer) sind alles andere als Kosenamen. Und dennoch bekennt
man sich in Mannheims Vororten zu ihnen. Schließlich betonen sie
auch ein Stück Eigenständigkeit.
Die eingemeindeten Vororte sind, mit Ausnahme von Rheinau, älter
als die Stadt selbst. Ihre Geschichte reicht bis ins frühe
Mittelalter zurück, als Mannheim noch eine Ansammlung von
Fischerhütten auf dem Schwemmland zwischen Rhein und Neckar war.
Bei der Eingemeindung der Vororte gab es drei Etappen: 1895 bis
1899, 1910 bis 1913 und 1928 bis 1930. Chronisten berichteten,
daß es dabei nicht ohne schwierige Vorverhandlungen und heftige
politische Auseinandersetzungen abging.
Käfertal
wurde am 1.1.1897 eingemeindet und brachte der Stadt Mannheim
einen Flächenzuwachs von 17.776 Hektar. Wichtiger als der Zuwachs
an Gemarkung aber war für die Stadtgemeinde die Tatsache, daß sie
in den Besitz des Wasserwerkes kam, das 1886 bis 1888 von der
Stadt Mannheim im Käfertaler Wald erstellt wurde. Zur Gemarkung
Käfertals gehörte außerdem die Industriesiedlung Waldhof. Hier
war bereits 1835 mit der Spiegelfabrik die erste größere
Industrieansiedlung der Umgebung entstanden. Bereits im frühen
- Jahrhundert gab es in Käfertal zudem eine Sodafabrik, die
älteste in Deutschland.
Neckarau
galt als das größte Dorf Badens und verlor am 1.1.1899 seine
Selbständigkeit. Als „Villa Naucrauia“ wurde die Siedlung 871
erstmals urkundlich erwähnt. Mit der Eingemeindung wurde das
Stadtgebiet nach Süden erweitert, was für die Anlage des
Rangierbahnhofes erwünscht war. Als Aussteuer brachte Neckarau
den Waldpark und die Reißinsel mit in die Verbindung.
Feudenheim
kam am 1.1.1910 zu Mannheim. Bereits seit 1848 gab es eine
Dampfbahnverbindung mit der Innenstadt. 766 wird Feudenheim im
Lorscher Codex erwähnt. 1803 kam das Dorf zu Baden. Auf
Feudenheimer Gemarkung erwarb links des Neckars die Süddeutsche
DiscontoGesellschaft 1905 Gelände, auf dem das neue Wohngebiet
Neuostheim entstand.
Sandhofen
wurde als „Villa Sunthove“ 888 erstmals im Lorscher Codex
erwähnt. Die Gemeinde kam am 1.1.1913 zu Mannheim.
Ausschlaggebend für diesen Schritt waren Probleme mit der
Wasserversorgung. Durch die 1884 gegründete Zellstoffabrik wurde
Sandhofen bereits im vorigen Jahrhundert Arbeiterwohnort. Die
später entstandenen Siedlungen Schönau und Blumenau liegen auf
ehemaliger Sandhofer Gemarkung.
Wallstadt
gilt als eine der ältesten Siedlungen im RheinNeckarRaum. 766
wurde
es als „Walahastat“ erstmals urkundlich erwähnt. Das
„Maurerdorf“ wurde 1929 eingemeindet. Wallstadt war eine arme
Gemeinde, deren Bewohner ihren Lebensunterhalt als Bauhandwerker
in Mannheim verdienten.
Rheinau
gilt als eine junge Siedlung, die auf halbem Weg zwischen
Mannheim und Schwetzingen, der Sommerresidenz des Kurfürsten,
entstand. Entlang des Damms entwickelte sich die Siedlung mit der
Zeit rund um das Relaishaus, eine Poststation mit Gespannwechsel.
Die Gemarkung wurde durch den Ausbau des östlichen Hafenbeckens
wirtschaftlich erschlossen. Zweites und drittes Hafenbecken
wurden um die Jahrhundertwende fertiggestellt.
Friedrichsfeld
ist eine Hugenottensiedlung. Flüchtlinge aus Sedan und Calais
ließen sich hier 1682 nieder. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurde
die Siedlung 1688/89 zerstört. 1840 wurde der Ort
Eisenbahnknotenpunkt. Die 1890 in Friedrichsfeld angesiedelte
Tonröhrenfabrik ist heute noch größter Arbeitgeber am Ort.
Friedrichsfelder nennen sie aber nach wie vor „Die Steinzeug“.
Die Gemeinde kam mit der Kreisreform in BadenWürttemberg Anfang
der 70er Jahre zur Quadratestadt.
Seckenheim
gehörte mit ausgedehntem Grundbesitz an Ackerland und Wald zu den
reichsten Gemeinden Nordbadens. Nur ungern gab es seine
Selbständigkeit auf. Vom Neckar aus zeigt sich der Vorort noch
heute dörflich: Fachwerkhäuser und die steilen Dächer der
fränkischen Höfe bestimmen die Silhouette des früheren
Straßendorfes. Den Ortskern bilden der Marktplatz, die
Seckenheimer Planken und das barocke Rathaus. Im Osten liegt das
1768 erbaute Schlößchen des kurpfälzischen Staatsrats Georg von
Stengel. Bereits vor der Jahrhundertwende führte eine
Dampfstraßenbahn durch das Dorf die spätere Oberrheinische
Eisenbahngesellschaft (OEG).
Die 1930 eingemeindeten Ortsteile Kirschgartshausen, Sandtorf und
Straßenheim waren ursprünglich keine selbständigen Ortschaften,
sondern Hofgüter oder Domänen. Kirschgartshausen bietet im Norden
der Stadt noch heute mit seinem Herrenhaus und den
Wirtschaftsgebäuden den Anblick eines Gutshofes inmitten
ausgedehnter Ländereien.
Quelle: unbekannt