Zwischen wildem Haufen und farbenfrohem Spektakel
18.02.07 (Hockenheim)
48. Hockenheimer Fasnachtszug lockte Menschenmassen in die Rennstadt / Gruppen aus dem Bruhrain dominieren / Nur zwei Gruppen mit lokalem Thema / Viel Phon und „schwarze“ Narren / Musikgruppen gut positioniert
Menschenmassen am Straßenrand, ein strahlend blauer Himmel, Fahnenschmuck und gute Laune – Fasnachtsherz, was willst Du mehr? Beim 48. Hockenheimer Fasnachtszug jedenfalls kamen am Samstagnachmittag all die Attribute zusammen, die so eine Großveranstaltung braucht, um aus einem Umzug ein wirkliches Ereignis zu machen. Aber dennoch waren viele Besucher, aber auch Teilnehmer und Organisatoren mit dem Verlauf des über dreistündigen närrischen Spektakels nicht so zufrieden, wie man hätte erwarten können. Zwar nutzten – wie immer – viele Narren aus der Region den Auftakt zur traditionellen Straßenfasnacht, um ausgiebig zu feiern, mehr noch aber, um ihre in monatelanger Arbeit entstandenen Motiv- und Musikwagen, oder die eigens für diese Saison kreierte Kostüme zu präsentieren. Auffällig aber dabei, dass auch die traditionelle Hoggemer Fasnacht immer „schwärzer“ wird. Kurpfälzisch, und damit vom rheinischen Karneval mitgeprägt, zogen in all den Jahren größere und kleinere Motivwagen durch die Straßen der Stadt, die vor allem lokale, ab und zu auch politische Themen zum Inhalt hatten. Diese Tradition scheint aber so langsam der Vergangenheit anzugehören, denn auch heuer setzte sich in Hockenheim die Entwicklung fort, mit möglichst schwarz geschminkten Gesichtern in Klamotten, die selbst ein Trödler oder Altwarenhändler nicht mehr führt, die Grenzen der Federung eines mit dröhnenden Musikboxen bestückten Wagens durch wildes Gehüpfe auszutesten. Die Zahl dieser „Motivwagen“ hat sich in den letzten Jahren mehr als verdreifacht – wenn auch manche Gruppen in diesem Jahr durch eine weitaus freundlichere Kostümierung positiv auffielen.
Es sind vor allem die „wilden Haufen“ aus dem Bruhrain, die ihren volkstümlich geprägten Fasching bei ihren Nachbarn im Norden ausleben – und diese damit auch manchmal erschrecken. Aber gerade für das an der Brauchtumsgrenze liegende Hockenheim würde eine Nichtteilnahme der Gruppen aus dem Raum Waghäusel-Oberhausen-Hambrücken zugleich das Ende eines wirklichen Umzuges bedeuten. Immerhin kamen in diesem Jahr mit 28 Formationen über die Hälfte der 55 Motivwagen und Gruppen aus dem Bruhrain.
Darunter auch eine Gruppe von rund 300 wildest kostümierten, meist jungen Menschen, die es sich, so die Aussage eines Gruppenteilnehmers, als die Kaotischen Karnevals Dussel KaKaDus zur Aufgabe gemacht hatten, „den müden Hockenheimern mal endlich zu zeigen, was es heißt, Straßenfasching zu feiern.“ Und dies zelebrierten sie auch in aller Ausführlichkeit, was nicht nur Zugkommentator Uwe Bär auf der Ehrentribüne am Rathaus in schiere Verzweiflung trieb, sondern auch für lange Unterbrechungen und entsprechend große Löcher im Zug sorgte. Sicher, dieser Menschenaufwand war unglaublich, die Art der „Faschingsbotschaft“ dann doch eher gewöhnungsbedürftig. Dass es aber auch anders geht, bewies die Faschingsgruppe Zeller aus Oberhausen-Rheinhausen mit ihren Piraten und dem originalgetreuen Nachbau eines Piratenschiffs.
Ob nun Lichtblicke im 48. Hockenheimer Fasnachtszug oder liebenswerte Gewohnheit sorgten dennoch viele andere Gruppen und Karnevalsgesellschaften für das gewohnt farbenprächtige Spektakel am Fasnachtssamstag. Allen voran aus dem Raum Hockenheim bewies die Gruppe Magic Dreams einmal mehr, dass sich ihre eigenen Vereinsziele als „Mehrwertmusketiere“ durchaus mit einem aktuellen politischen Thema verknüpfen lassen. Und auch die „Wirtschaftsflüchtlinge“ aus Neulußheim waren gut geschützt, hatten sie im Hockenheimer Altstadtrat Heinz Jahnke doch einen erfahrenen „Begleitschutzengel“. Unter dem Motto „Zirkus, Zirkus“ sorgte die HSV-Turnabteilung ebenso für einen Farbtupfer im Umzug wie die „Stehkragenbauern“ aus der Weinpatengemeinde Duttweiler, die nicht nur Hausmacher Spezialitäten verteilten, sondern auch ihre Weinprinzessin Tanja II. mitgebracht hatten. Die beiden einzigen Hockenheimer Motivwagen mit einem lokalen Thema stellten die Freiwillige Feuerwehr mit den „schnellen Roten“ sowie die Katholische Jugend und Junge Erwachsene mit einem weiteren Hockenheimring-Thema: „Die Hockenheimer sind im Wahn, weil auf dem Ring jetzt Geister fahrn.“
Wild vermummt im Stil der bruhrainischen Nachbarn die Reilinger Kraichbach Schlabbe, historisch aktuell der Mittelalterverein „Amici Ketz“ aus Ketsch oder durstlöschend die Gruppe Krawczyk aus Neulußheim. Unterwegs zwischen Himmel und Hölle war die TSG Ketsch, während sich die alten Gaussianer als Baumeister Bob auf Abwegen befanden. Der Club BKA 02 aus Ketsch erinnerte mit „Speedy Gonzales“ an den Klimawandel, die Gruppe ABI 2022 trainierte für Olympia und deren Kollegen vom ABI 92 trainierten in einem mobilen Synchronschwimmbecken. Farbenfroh schließlich die „Zauberwesen vom anderen Stern“ des Dunnaschdagsdreff aus Altlußheim, politisch ernst dagegen die Hockenheimer Landjugend, die die Mehrwertsteuererhöhung als „ganz Ungeheuer“ empfand. Ganz professionell und werbewirksam dagegen die Motorräder von „Patsy’s Cave“ aus Hockenheim und die alten Ägypter der Fides-Klinik Ketsch.
Unter den zehn am Umzug teilnehmenden Karnevalsgesellschaften natürlich auch die beiden Kooperationen aus der Rennstadt. Traditionell den Auftakt bildend der C.C. Blau Weiss, während die rotweiße HCG als Schlusswagen den Fasnachtzug zierte.
Gut platziert im närrischen Lindwurm konnten sich in diesem Jahr auch die dreizehn Guggenmusiken, Kapellen, Fanfaren- und Spielmannszüge gegenüber den phonstarken Musikwagen durchsetzen und trugen so zum kunterbunten Bild des 48. Hockenheimer Fasnachtszuges mit bei.